Notfallversorgung von Patienten mit akuten Herzerkrankungen

Hersfeld-Rotenburg 20200420. Bereits Mitte März hatte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DKG) in einer offiziellen Stellungnahme auf die Brisanz der Versorgung von Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen in der aktuellen Corona-dominierten  Situation hingewiesen.
Im Klinikum Hersfeld-Rotenburg mit seinen Standorten in Bad Hersfeld (Klinikum) und Rotenburg (Herz-Kreislauf-Zentrum) sieht man die aktuelle Entwicklung mit Sorge. Wie auch an anderen Standorten werden immer häufiger Patienten vorstellig, die mit ihrer Herz-Kreislauf Erkrankung -vielleicht auch aus Angst- den Weg zum Haus- oder Facharzt oder der Notaufnahme / Chest Pain Unit zu spät suchen oder finden. Dieser Eindruck bestätigt sich in den Notaufnahmen der beiden Kliniken. Patienten sind häufig schwerer erkrankt und Heilungsaussichten wären bei einer frühzeitigen Konsultation deutlich besser.

Auf diesem Hintergrund stellen wir unsere Fragen den Herzspezialisten des Klinikums Hersfeld-Rotenburg

Gibt es ein Wechselspiel einer Corona Infektion und kardiologischen Erkrankungen?
Aus den Beobachtungen aus China und Italien wissen wir, dass vor allem Patienten mit Risikofaktoren für eine Herzerkrankung wie zum Beispiel Hypertonie, Rauchen, ein höheres Alter, Diabetes aber auch schon bestehende Gefäßerkrankungen ein höheres Risiko haben, an der Infektion (schwer) zu erkranken als ohne diese Risikofaktoren.

Als Herzpatient muss man unbedingt im Auge behalten, dass Covid-19 nicht nur eine Atemwegserkrankung verursacht, sondern andere wichtige Organe wie z. B. das Herz oder auch die Blutgerinnung in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Komplikationen beläuft sich dabei nach derzeitigen Schätzungen auf 5-10 % der Covid-19-Erkrankten. Es kann aber auch zu einer direkten Schädigung des Herzens kommen, indem die verantwortlichen SARS-CoV-2-Viren möglicherweise z. B. die Herzkranzgefäße befallen, also jene wichtigen Blutgefäße, die um das Herz verlaufen und den Herzmuskel mit sauerstoffreichem Blut versorgen. Ebenso ist eine Herzmuskelentzündung (= Myokarditis) möglich, wobei dies nach den bisherigen Zahlen offensichtlich eher selten der Fall ist.

Als Herzpatient sollte man zudem wissen, dass eine Infektion mit Coronaviren auch ohne einen direkten Befall des Herzens zu einer enormen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems führen kann. Verhindert z. B. eine ausgeprägte Lungenentzündung eine ausreichende Sauerstoffsättigung des Blutes, während gleichzeitig das Infektionsgeschehen den Blutdruck unerwünscht absenkt, muss das Herz zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs schneller schlagen und oft eine immense Mehrarbeit leisten. Auf Dauer kann dies den Herzmuskel überlasten, insbesondere wenn am Herz bereits Vorschäden bestehen.

Worauf müssen Menschen mit einer kardiovaskulären Vorgeschichte im Moment besonders achten?
Bei einer Herzkrankheit ist es empfehlenswert, sein Herz nicht zuletzt wegen der aktuellen Ausbreitung von Covid-19 in einen bestmöglichen Zustand zu bringen.

Wichtig ist hier vor allem die verschriebenen Medikamente weiterhin einzunehmen und eine mögliche Infektion durch die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen wie Händedesinfektion, ggf. tragen eines Mundschutzes, Abstand halten etc. vermeidet. Verschlimmern sich die bekannten Symptome der Patienten oder treten neue Beschwerden auf ist eine umgehende Konsultation eines Arztes dringend zu empfehlen.

Wie lauten ihre Empfehlung bei Auftreten von Symptomen wie Engegefühl in der Brust, Schmerzen, die auch in andere Körperregion ausstrahlen sowie Luftnot für den Herzpatienten?
Zögern Sie bitte nicht und wählen Sie wie auch bisher die 112 damit der Rettungsdienst sie umgehend an ein entsprechendes Zentrum bringen kann wo ein möglicher Herzinfarkt oder eine entsprechende Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach den entsprechenden Leitlinien sofort behandelt werden kann. Die Erfahrung der letzten Wochen zeigt ein zu langes warten hilft hier nicht, im Gegenteil wir sehen aktuell schwere und komplizierte Verläufe z.b. bei Herzinfarkten die wir eigentlich schon lange nicht mehr gesehen haben.

Wie reagieren sie auf das Informations- und Beratungsbedürfnis, das im Moment ja durch die weitgehend eingeschränkten persönlichen Kontakte geprägt ist?
Wir haben für Patienten wie auch für Zuweiser eine entsprechende Telefonhotline zur Verfügung gestellt, wodurch wir den direkten Kontakt vermeiden können, trotzdem aber  Fragen durch einen Facharzt beantworten können und gegebenenfalls dann auch telefonisch schon weitere Maßnahmen einleiten können. Prinzipiell gilt hier: Fragen kostet Nix! Dies sollte aber Patienten die Zuweiser nicht davon abhalten, Patienten mit akuten Beschwerden wie gewohnt einzuweisen um akute Herzkreislauferkrankungen weiterhin professionell zu versorgen. Sollte neben der akuten Herzerkrankung auch der V.a. Corona Infektion ergeben erfolgt nach den RKI Kriterien eine entsprechende Triage für unseren Kreis.

Sind sie in ihren Klinken, die im Moment primär auf die Behandlung von Corona-Patienten vorbereitet werden in der Lage die hochspezialisierte Therapie von herzkranken Patienten sicherzustellen?
Stichworte:  Katheter-, Intensivbehandlung, OP Kapazitäten

Das HKZ hat für den Fall, dass die Kapazitäten in Bad Hersfeld zur Behandlung von Corona Patienten nicht ausreicht, folgende Maßnahmen ergriffen:

Für die Behandlung von Corona positiven wie auch negativen Patienten gibt es jeweils eine eigene Intensivstation. Die Intensivstation die für die Corona Patienten vorgesehen ist, ist komplett mit entsprechenden Beatmungsgeräten wie auch der Möglichkeit der Lungenersatztherapoie mittesl ECMO (extra-corporale-membaran-oxygenierung) ausgestattet. Darüber hinaus halten wir eine komplette Station vor auf der wir Corona positive Patienten, die nicht beatmungspflichtig sind behandeln können. Auch hier haben wir sämtliche Möglichkeiten der modernen Überwachungsmedizin. Die Bereiche in denen Corona positive Patienten betreut werden sind entsprechend der hohen Hygieneanforderungen kompett ausgestattet, somit ist eine Gefährdung der coronafreien Bereiche ausgeschlossen. Die jeweiligen Einheiten werden interdisziplinär d.h. von Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten gemeinsam betreut.

Für Patienten die Corona positiv sind und eine Herzkatheteruntersuchung benötigen zum Beispiel im Rahmen von einem akuten Herzinfarkt haben wir am HKZ ein spezielles Katheterlabor welches ausschliesslich für Corona positive Patienten verwendet wird eingerichtet. Dieses Katheterlabor ist wie die übrigen Katheterlabore rund um die Uhr, d.h. 24 Stunden an jedem Wochentag durch einen erfahrenen Interventionskardiologen und entsprechendem Team verfügbar.

Insgesamt gilt am HKZ für kardiologische oder herzchirurgische Notfälle: Wir sind immer erreichbar und für Sie da! Vor allen Dingen müssen sich Patienten keine Sorgen machen, dass durch einen notfälligen/ notwendigen Klinikbesuch eine entsprechende Infektion mit dem Coronavirus zu befürchten ist, da die entsprechenden Bereiche streng getrennt werden. Um diese Versorgung vorhalten zu können haben wir am HKZ -wie an allen anderen Zentren in Deutschland- elektive Eingriffe und Untersuchungen reduziert, stehen aber für Patienten die Beschwerden haben oder untersucht werden müssen jederzeit und vollumfänglich zur Verfügung.

Notfallversorgung von Patienten mit akuten Herzerkrankungen während der Corona-Pandemie





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